Le Mans 1970


Porsche gegen Porsche

Nachdem der 917 im Vorjahr an einer unterdimensionierten Kupplung knapp gescheitert war, ging es 1970 für Porsche in Le Mans um alles oder nichts. Aber es war nicht nur der Kampf Porsche gegen Ferrari, sondern auch der Kampf “Wyer-Porsche” gegen die “Salzburg-Porsche”.

Die Porsche-Teams starteten mit verschiedenen Konfigurationen. Wyer setzte zwei 5-Liter- und einen 4,5- Liter-Kurzheck ein. Mit 845 kg waren die Wyer-Wagen etwa 20 kg schwerer als die anderen 917: Wyer modifizierte die 917 und setzte separate Ölschläuche ein anstatt die Rahmenrohre als Ölleitung zu nutzen. Außerdem wurden Teile der Heckpartie verstärkt und ein zusätzlicher Feuerlöscher in die Wagen gebaut.

Elford/Ahrens fuhren den 5-Liter-Langheck, Larrousse/Kauhsen einen 4,5-Liter Langheck und Herrmann/Attwood einen 4,5-Liter-Kurzheck.

Der "Le Mans-GP"

Das 24h-Rennen begann (erstmals gab es nicht mehr den “Le Mans-Start”, die Fahrer saßen bereits angeschnallt im Wagen) wie ein Sprintrennen. Wyer ließ seinen Piloten freie Fahrt. Dies führte u. a. dazu, daß Ickx (mit “Langsamfahrplan”) im Ferrari 512 bereits nach einer Stunde(!) von den führenden Elford (917 LH) und Siffert (917 K) überrundet wurde. Während Elford die Zeiten im 917 LH recht locker fahren konnte, mußte Siffert im Kurzheck kämpfen um dieses enorme Tempo zu halten. Auf der Geraden fuhr der schnellere Langheck dem Kurzheck davon, doch in der Bremszone war Siffert wieder am LH dran.  

Mitten im Feld tummelte sich ein -mit drei Kameras bestückter- Porsche 908. Dieser Wagen belichtete in den 24h etwa 10.000 Meter Filmmaterial für den Kinofilm "Le Mans" (Hauptdarsteller Steve McQueen).

Bereits nach 6 Runden(!) verlor Ferrari den ersten Wagen (Vaccarella/Giunti) mit Motorschaden (Vaccarella war es übrigens, der im Training dem Pole-Fahrer Elford (3.19,8 min.) mit 3.20 min. recht nahe kam).  Aber es sollte noch schlimmer kommen für Ferrari: Der Bell-Ferrari war bereits angeschlagen, als die hart kämpfenden Wissel im Filipinetti-Ferrari und Regazzoni im Werks-Ferrari auf Bell aufliefen und sich dabei gegenseitig eliminierten. Bell schaffte es noch nicht in die beiden Ferrari zu crashen, überdrehte bei dem Bremsmanöver aber seinen Motor. Der Unfall war noch nicht abgeschlossen, als Parkes in einem weiteren Filipinetti-Ferrari auftauchte und in die Wracks knallte.

Vier Ferrari 512 waren somit mit einem Schlag aus dem Rennen.

Auch Ferrari-Fahrer Ickx bereitete seinem Team keine Freude: In der Nacht überschlug sich Ickx beim Anbremsen der Schikane. Dies war besonders peinlich, da Ickx/Schetty langsam fuhren. 400 U/min weniger wurden dem Motor gestattet. Früher bremsen sollte man. Das Getriebe wurde verstärkt und man hielt sich im Training aus der Bestzeitenjagd raus. Und dann schmeißt Ickx den Wagen weg...

Ickx gab zu Protokoll die Bremsen hätten blockiert. Girling dementierte dies und auch eine spätere Untersuchung entlastete Ickx nicht.

Aber auch Porsche mußte Federn lassen. Siffert/Redman büssten für das hohe Tempo. Siffert verschaltete sich und der Schleppzeiger blieb bei 9400 U/min stehen. Ferry Piech gab an, daß der Motor einen kurzen Tourenstoß von 10.500 U/min vertragen würde (empfohlene Höchstdrehzahl 8.200 U/min), und der Motor wohl kurzfristig auf 11.000 Touren hochgeschnellt sein muß. Der Schleppzeiger konnte das nicht registrieren, da er nicht mehr mitkam.

Der Motor verlor daraufhin Öl und das Getriebe meldete sich langsam ab. Siffert gab zerknirscht zu Protokoll, daß er den Schalthebel mit der Faust halten mußte - und trotzdem sprang der vierte Gang raus.

Hobbs/Hailwood im Wyer 917K kollidierten mit dem Alfa 33.3 von Zeccoli/Facetti. Beide Wagen waren out. Schon nach knapp 3 Stunden war der 917 LH von Pedro Rodriguez aus dem Rennen: Motorschaden.  Ein Schaden, der alle 5-Liter-Porsche ereilte.

[Randnotiz: Als Kurt Ahrens mit dem wunderschönen “Salzburg-Langheck”, souverän in Führung liegend, ausfiel, mochte niemand den schlafenden Teamkollegen, Vic Elford, darüber informieren. Kurt Ahrens erledigte das dann selbst, und da konnte man dann -Zitat Kurt Ahrens- "einen gestandenen Rennfahrer weinen sehen"]

Aber nicht nur der Motor bereitete Porsche Sorgen. Bei Testfahrten stellte sich raus, daß die Firestone-Reifen nur 330 km/h vertrugen. Die GoodYear hingegen hielten auch bei 390 km/h (beide Firmen garantierten nur 300 km/h). John Wyer mußte aber Firestone-Reifen verwenden. Er hatte -gegen den Rat von Porsche- bereits vorher einen Vertrag mit Firestone abgeschlossen. Angesichts des enormen Speeds auf der Hunaudières konnten sich die Wyer-Piloten nicht besonders wohl gefühlt haben.

BTW Reifen: Bei Hochgeschwindigkeitstests in Wolfsburg kamen Kurt Ahrens und Willy Kauhsen in plötzliche Regenschauer. Beide 917 LH waren nicht zu halten und wurden zerstört. Aus diesem Grund startete man in Le Mans auf Intermediate-Reifen.

Die Sintflut

Nach dieser ereignisreichen Anfangsphase begann für das dezimierte Feld eine unvergessliche Nacht. Gegen 4 Uhr früh setzten sintflutartige Regenfälle ein. Selbst Fahrern, die sonst nicht aus der Ruhe zu bringen waren, blieben nicht unbeeindruckt von den Situationen, die sich auf der Strecke abspielten. Elford: “Unter solchen Bedingungen bin ich noch nie gefahren. Es war bisweilen nicht möglich einen 911 auf der langen Geraden zu überholen.” Kurt Ahrens meinte in einem Motorboot zu sitzen.  

 

 
Der spätere Sieger Hans Herrmann: "Du siehst nichts mehr, du wagst auf der Geraden nur mehr den dritten Gang einzulegen, du darfst nicht bremsen, nicht lenken, nicht Gas wegnehmen, der Wagen reagiert in den Pfützen auf keine Lenkbewegung mehr."

Herrmann stand einmal komplett quer und legte eine Strecke von gut 100 Meter seitlich zurück. Zum Glück schlug er dabei nirgends an.

Die Nacht von Le Mans produziert ihre eigenen Helden. Gijs van Lennep fuhr seinen Porsche 917 in dem Regen-Chaos bis auf Platz drei vor - ehe Co-Pilot Piper sich später drehte und der Wagen viel Zeit bei der Reparatur an der Box verlor. Stommelen machte mit seinem Alfa T33/3 Boden gegen die großen Boliden gut, ehe der Wagen mit permanenten Startproblemen aus dem Rennen genommen wurde.

Am Ende der 24 Stunden sollten ganze 7(!) Wagen in Wertung in’s Ziel kommen. Hans Herrmann und Dick Attwood holten den lang ersehnten ersten Gesamtsieg für Porsche - genau 20 Jahre nach dem ersten LM-Start der Stuttgarter. 

 

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